Sein Äußeres ist unscheinbar: ein weißer Container, secondhand mit ein paar Beulen. Aber das Innenleben birgt innovative Behandlungsverfahren für Kokerei-Abwasser. Die Idee dahinter: Mithilfe eines mathematischen Modells errechnen die Forschenden, welche Kombination der verschiedenen Reinigungsmethoden für das Abwasser die passende ist. Im belgischen Gent – also dem Forschungsstandort – hat ein Team der TUBAF das Modell einem Realitätscheck unterworfen. Fazit: Es funktioniert!

Kokereien stellen den Stoff her, der bisher unverzichtbar ist für die Stahlherstellung: Koks. Der wird für die Reduktion von Eisenerz zu Eisen gebraucht. Dabei fällt unter anderem aber auch belastetes Kokereiabwasser an. Kokereien arbeiten in vielen Ländern der Welt. Und jedes Land hat eigene Grenzwerte für die Abwässer, die nach der Wandlung der Kohle zu Koks übrigbleiben. Für international agierende Industrieunternehmen im Anlagenbau ist das eine große Herausforderung. 

„Außerdem sind die Grenzwerte für Kokereiabwasser in den letzten Jahren immer weiter verschärft worden“, erklärt Dr. Volker Herdegen vom Forschungsteam des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik, Umwelt- und Naturstoffverfahrenstechnik (ITUN). In dieser regulatorischen Gemengelage kam die Idee für eine mobile Pilotlösung auf, ein Container, in dem die Abwasserreinigung untersucht wird. Anhand der Ergebnisse errechnen die Forschenden dann die passende Kombination aus den Reinigungsverfahren unter den jeweils gültigen Randbedingungen. Das wird immer dann wichtig, wenn eine bestehende Abwasserreinigungs-Anlage an einen neuen Standort angepasst werden muss oder eine neue Anlage gebaut wird. „Durch diese durchgängigen Untersuchungen im relativ kleinen, aber repräsentativen Stil haben wir die Garantie, dass dann die große Anlage den Anforderungen der Umweltschutzgesetzgebung entspricht“, sagt Volker Herdegen. 

„Das Ziel ist ein Optimum an Kostenersparnis und/oder CO2-Reduktion“, ergänzt Marvin Lang. Er ist Doktorand am ITUN und entwickelt das Modell für die Wasserreinigungsanlage. Das errechnet, welche der drei gängigen Methoden der Wasserreinigung, bzw. welche Kombination der drei Methoden, für jede einzelne Wasserreinigungsanlage die beste ist – gemessen an Gesetzeslage und ökologischem Nutzen.

„Auf die Projektidee folgten insgesamt zwei Jahre Literaturforschung, Planung und Bau des Containerinnenlebens“, so Volker Herdegen. Im November dann wurde der weiße Quader nach Gent verladen, aufs Werksgelände von ArcelorMittal. „Wir verlassen mit unserem Container das universitäre Umfeld nicht nur räumlich weit – das ist Neuland“, sagt Herdegen weiter. Vor dem Abtransport fand dann auch die Wasserfahrt statt, der Test, ob alle Anlagenkomponenten im Rahmen der von Marvin Lang entwickelten Modellplanung auch in der Praxis funktionieren. Wasserfahrt bedeutet nicht, dass die Forschenden etwa mit einem Boot Wasserproben eingeholt hätten. Der Freiberger Container steht direkt neben dem Abwasserablauf der Kokerei des Werks. 50 Liter pro Stunde über den Zeitraum von 6 Wochen wurden bisher durch die Rohre des Containers gepumpt und untersucht. Das Modell hat diesen ersten Realitätscheck bestanden und das Team hat ein launiges Social-Media-Reel gedreht über die erfolgreiche Wasserfahrt, die Protagonisten mit Paddeln in den Händen, obwohl niemand für den Test ein Boot besteigen musste. 

Nach diesem ersten wichtigen Erfolg wird das Team, das durch Dr. Roland Haseneder und Jonas Hünersen komplettiert wird, noch knapp zwei Jahre erst am Kokereistandort in Gent arbeiten und danach an die Auswertung gehen. Das Pilotprojekt ist eine mehrjährige Kooperation mit der thyssenkrupp Uhde GmbH. Projektleiter Volker Herdegen betont, dass mit dem neuen mobilen Container nicht nur abgestimmte Verfahren für die Reinigung von Kokerei-Abwässern entwickelt werden können, sondern das Freiberger Testmodell in Zukunft auch im Bereich der chemischen Industrie und anderen Abwasserproduzenten genutzt werden kann.