Am Sonnabend, den 30. November fand wieder die JuniorUni der TUBAF statt, eine Wissenschaftsveranstaltung speziell für Kinder. Dort wird unter anderem Bolormaa Dendev eine Vorlesung halten. Das Thema: Wie leben Nomadenkinder in der Mongolei?
Bolormaa Dendev stammt aus der Mongolei und hat in den 1990er Jahren in Freiberg Silikattechnik studiert. Heute leitet sie das wissenschaftliche Verbindungsbüro des Freistaats Sachsen in Ulaanbaatar. Sie engagiert sich außerdem im Nomadenkinder-Projekt der TUBAF, das Lehrkräfte auf dem Land für MINT-Fächer fit macht. Die Lehrerinnen und Lehrer sollen so schon frühzeitig den Nachwuchs für Naturwissenschaften begeistern. Wir haben Bolormaa Dendev im Vorfeld der JuniorUni in Freiberg getroffen. Auf einem Tisch hat sie schon Gegenstände ausgebreitet, die in ihrer Vorlesung eine Rolle spielen werden: blaue Säckchen, in denen es verheißungsvoll klackert.
Was erwartet die Kinder morgen bei Ihrem Vortrag bei der JuniorUni?
Wir möchten darüber erzählen, was die Gleichaltrigen in der Mongolei machen, wie sie zur Schule gehen, welche Spielzeuge sie haben und wie sie ihren Alltag verbringen. Und auch, welche Feste wir feiern, im Sommer und im Winter, ob es bei uns das Weihnachtsfest gibt oder ob wir das an anderen Jahreszeiten feiern, das werde ich dann erklären.
Gibt es denn ein Weihnachtsfest in der Mongolei?
Weihnachten feiern wir nicht, aber so ein ähnliches Familienfest. Das feiern wir dann im Frühling, so im Februar oder Januar. Je nachdem wie die Mondrechnung ist. Nach dem Mond wird es Frühjahrsfest genannt, das Weißmondfest. Im kommenden Jahr haben wir am 1. März unser Neujahrsfest, also das Weißmondfest.
Was ist in den Säckchen drin?
Das sind Knöchel von Schafen. Da habe ich in jedes Säckchen vier Stück reingetan. Das ist dann wie ein Würfelspiel. Vier Seiten hat der Knöchel und man würfelt. Eine Seite bedeutet Schaf, eine Ziege, diese Seite steht für Kamel und die Gegenseite von Kamel ist Pferd. Wenn ich zwei gleiche Seiten würfele, stoße ich mit dem einen Knöchel den zweiten an und sammle diese beiden. Das geht nicht nur mit vier Knöcheln - man spielt vielmehr mit 100, 200 Knöcheln. Wer am meisten gesammelt hat, hat gewonnen. Das ist ein Spiel, das die Kinder im Winter gerne spielen, wenn man nicht rausgehen kann.
Was ist der größte Unterschied zwischen einer Kindheit in Deutschland und der in der Mongolei als Nomadenkind?
Ich denke, das ist die Naturverbundenheit. Jedes Kind in der Mongolei, ob es nun in der Stadt wohnt oder auf dem Land, hat dann Zeit, im Sommer zu den Verwandten zu gehen. Die Kinder der Nomaden gehen zum Sommersitz der Familie, da müssen sie erstens bei der Arbeit – Viehwirtschaft und Haushalt – helfen, und zweitens mit den Tieren spielen. Da lernen sie auch die Tiere liebzuhaben. Sie haben eigene Pferde oder eigene Schafe und Ziegen. Sie entwickeln sich mit der Natur zusammen. Wir sind nur in der zweiten Generation Stadtbewohner. Das heißt, die Leute, die in der Stadt leben, die haben auch Verwandte auf dem Land. Und ich habe mich gewundert, als ich hier zum ersten Mal einen Tierpark besucht habe, wo innendrin eine Ziege war. Bei uns ist das normal, da ist eine Nomadenfamilie, die hat eine Ziege, die kann man streicheln oder der was geben, und das sind Mengen, hunderte oder tausende. Und hier habe ich eine Ziege im Zoo gesehen. Das war schon wunderlich.
Wie ist das Nomadenkinderprojekt angelaufen?
Wir haben bis jetzt zwei Schulen auf dem Land besucht und mit den Kindern kleine Versuche gemacht wie mit ganz einfachen Mitteln, dass man Physik, Chemie und Mathe erklären kann und den Kindern beibringen kann, aha, MINT-Fächer sind nichts Schreckliches.
Sind Sie denn auch an die Lehrkräfte herangekommen?
Erstmal haben wir die Direktoren angerufen oder ihnen eine Mail geschrieben und die Erlaubnis bekommen, dass wir auch vorbeikommen können. Die waren sehr erfreut, dass wir dann mit einfachen Mitteln gekommen sind und den Kindern erklärt haben, es müssen nicht unbedingt teure Labore und Geräte da sein, um über diese Fächer Bescheid zu wissen.
Sie haben in Freiberg studiert. Mit welchen Gefühlen kommen Sie hierher zurück?
Ich komme nach Hause. Wirklich (lacht). Wenn ich in Freiberg bin, bin ich zu Hause. Wenn ich in die Mongolei fahre, bin ich auch zu Hause. Hier aber auch. Es ist kein fremdes Land. Es kommt mir alles vertraut vor. Das Aufwachsen von einem jungen Mädchen zu einer Erwachsenen, das ist hier alles passiert. Mit Freiberg sind viele Erinnerungen verbunden. Mein ältester Sohn ist hier geboren. Er war das erste Kind des Jahres 1995. Wir waren in der Zeitung. Als ich im März ins Prüfungsamt reinging, da haben sie mir alle gratuliert. Mein Sohn ist noch nicht nach Freiberg gekommen, er ist mit zwei Jahren zurück in die Mongolei zu meiner Mutter, damit ich mein Studium zu Ende zu bringen kann. Als Erinnerung an Freiberg habe ich drei Steine vom Park mitgenommen. Das gibt meinem Sohn Kraft und Energie, wenn er von seinem Geburtsort Steine mithat. Er nimmt diese drei Steine immer mit. Das sind unsere Gebräuche (lacht). Die Steine sind eine Energiequelle für ihn in schwierigen Situationen. Wenn er eine Lösung finden will, nimmt er die drei Steine in die Hand.